Ungerechte Verteilung von Steuergeldern

Ungerechte Verteilung von Steuergeldern

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Für Solo-Selbstständige dürfte es ein weiterer Schlag ins Gesicht sein: Die Bayerische Staatsregierung möchte ausgerechnet die Branche weiterhin bedingungslos unterstützen, die für einen der größten Betrugsskandale der Nachkriegsjahre steht – und das auf Kosten von Bürgern und Steuerzahlern. „Innovationsprämie“ nennt Markus Söder den Mobilitätsbonus von 4.000 Euro pro Autoneukauf und erklärt, dass die Autobranche eben am relevantesten sei. Für die vielen Solo-Selbstständigen ist nach wie vor keine Hilfe in Sicht, während 4.000 Euro und mehr pro Autokauf offenbar kein Problem darstellen. Statt die stetig wachsende Kreativbranche zu unterstützen, die mit einem Netzwerk aus vielen Selbstständigen seit Jahren ihre Vitalität unter Beweis stellt, setzt man lieber auf den Verbrennungsmotor im Automobilsektor und tituliert dies als „Innovation“.

Für Einnahmenverluste von Solo-Selbstständigen keine Hilfe

Doch wirkliches innovatives Wachstum findet inzwischen woanders statt – auch in Bayern. So erwirtschaftet die Kreativwirtschaft bereits 50 Prozent der Bruttowertschöpfung der Autoindustrie und mit fast 300.000 Erwerbstätigen ist die Branche bei knapp 50 Prozent Erwerbstätigen in der Automobilbranche angekommen. Bei der Wirtschaftsförderung sieht das anders aus: So wird bei Solo-Selbstständigen aus der KuK genau nachgerechnet: Ihren Einnahmenverlust dürfen sie in der Coronakrise in Bayern nicht geltend machen – im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie Baden- Württemberg, NRW, Sachsen. Man müsse genau hinschauen, hieß es auf Anfrage des BLVKK dazu aus dem Ministerium, schließlich handle es sich um Steuergelder, mit denen man sorgsam umgehen müsse. Inzwischen hat man dann doch Künstler, die in der Künstlersozialkasse KSK versichert sind, bedacht: Sie erhalten für drei Monate jeweils 1.000 Euro als Ausgleich für entgangene Einnahmen, wie Söder vor zwei Wochen freudig verkündete und als Vergleich das Modell aus BW zitierte.

Coronahilfe für Künstler – eine Mogelpackung

Dass die KSK-gebundene Coronahilfe eine Mogelpackung ist, wurde vom BLVKK bereits kurz nach der damaligen Pressekonferenz moniert. Denn nur wenige Solo-Selbstständige in der Kultur- und Kreativwirtschaft sind tatsächlich in der KSK – und von den wenigen potenziellen Nutzern kann bis heute kann niemand einen Antrag stellen, da er noch nicht online ist. „Außerdem ist der Vergleich mit der Hilfe in Baden-Württemberg sachlich falsch“, weiß Verbandspräsidentin Carola Kupfer. „Denn die KSK ist dort keine Voraussetzung und fiktive Unternehmergehälter dürfen angesetzt werden. Diese Verknüpfung in Bayern ist eine Ungleichbehandlung innerhalb einer Branche, die überall auf Unverständnis stößt und sich mit dem Grundgesetz nicht vereinbaren lässt“.

08.05.20

Autokauf-Anreiz anstatt Grundsicherung?

Schaut man über die Branchengrenzen hinaus, nimmt diese bayerische Sonderbehandlung einzelner Branchen vor dem Hintergrund der vielerorts existenziellen Krise bizarre Formen an. Denn die von Ministerpräsident Markus Söder gewünschte „Innovationsprämie“ von 4.000 Euro und mehr beim Kauf eines Neuwagens mit Verbrennungsmotor würde einen Solo-Selbstständigen mit Corona-Hilfe vier Monate durch die Krise retten! Hochgerechnet erhalten laut Söder bis zu 30.000 Künstler 90 Mio. Euro (0,09 Mrd. Euro) Soforthilfe, während bei in Bayern 732.800 verkauften Neuwagen (Stand 2019) allein durch die Mindestprämie von 4.000 Euro eine Summe von mehr als 2.900 Mio. Euro (2.9 Mrd. Euro) zusammenkämen.
„Für uns stellt sich nun natürlich die Frage, wann und wie hier verantwortlich mit Steuergeldern umgegangen wird“, so Kupfer. „Denn im Moment werden die Betroffenen im Regen stehen gelassen und müssen Hartz IV beantragen – wieder auf Kosten des Steuerzahlers.“
Und noch etwas stößt der Branche bitter auf: Von Solo-Selbstständigen wird in Krise erwartet, das eigene unternehmerische Risiko zu tragen. Konkret bedeutet das, Rücklagen und Alterssicherung aufzubrauchen, bevor es Hilfen gibt. Altlasten aus der Zeit vor Corona dürfen explizit nicht unter dem Deckmantel der Krise versteckt werden. „Hier wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen“, ärgert sich BLVKK Vize-Präsident Philipp Ernst. „Denn wer als Unternehmer oder Solo-Selbstständiger Corona-Soforthilfe beantragt, muss versichern, dass er vor März 2020 keine wirtschaftlichen Schwierigkeiten hatte.“ Dagegen ist an sich nichts einzuwenden, doch wieso soll das bei Großunternehmen anders sein? Gerade die Autoindustrie jammert seit Jahren über die Krise, die nach dem selbst verschuldeten Dieselskandal fraglos da ist. „Wir fordern Fair Play für alle“, betont Ernst. „Mit einem 2.9 Mrd. Euro Förderprogramm wäre die bayerische Kultur- und Kreativwirtschaft auch ganz schnell Weltspitze wie die Automobilindustrie.“

Hier entsteht beim Steuerzahler natürlich der Verdacht, dass mit einer so genannten „Innovationsprämie“ Finanzierungslücken, Boni und Dividendenzahlungen aus Steuermitteln querfinanziert werden. Der BLVKK fordert daher die Bayerische Staatsregierung und den Bund dringend dazu auf, wirkliche Innovationen zu fördern! Und das bedeutet auch: keine Verkaufshilfen für Verbrennungsmotoren und keine Hilfen für solvente Konzerne, die Dividenden und Boni ausschütten.

Schützenhilfe bekommt der Verband dabei indirekt von der Bundeskanzlerin: Angela Merkel hat vergangene Woche auf dem Petersberger Klimagipfel klar gefordert, in zukunftsweisende Technologien zu investieren. Veraltete Antriebssysteme beim Auto dürfte sie damit wohl kaum gemeint haben.

Keine Frage: Die Situation ist in Bayern für Solo-Selbstständige deutlich schlechter als in anderen Bundesländern. „Wir fordern daher sofortige Nachbesserungen im Sinne der Gleichbehandlung aller“, so BLVKK Präsidentin Carola Kupfer. „Gerne würden wir mit Herrn Söder und Herrn Aiwanger am Runden Tisch zusammenkommen, um über die Situation der Solo-Selbstständigen und Unternehmer in der KuK zu reden und machbare Lösungen zu finden“.

Denn wenn es darum geht, nach der Krise durchzustarten, braucht es Zusammenhalt, Innovationsgeist und Kreativität, gute Ideen, nachhaltige Produkte und besonnen wirtschaftende Unternehmer mit Mut. Genau das sind die Stärken der Kultur- und Kreativbranche vor und nach der Krise.