Kultur- und Kreativwirtschaft im Koalitionsvertrag

Im am Mittwoch, den 24. November 2021, vorgestellten Koalitionsvertrag der Ampelparteien (SPD, GRÜNE, FDP) hat auch die Kultur- und Kreativwirtschaft einen Platz gefunden. Anbei der Auszug ab Seite 121 zur Kulturpolitik im Koalitionsvertrag:

“Kultur- und Medienpolitik
Wir wollen Kultur mit allen ermöglichen, indem wir ihre Vielfalt und Freiheit sichern, unabhängig von Organisations- oder Ausdrucksform, von Klassik bis Comic, von Plattdeutsch bis Plattenladen. Wir sind überzeugt: Kulturelle und künstlerische Impulse können den Aufbruch unserer Gesellschaft befördern,  sie inspirieren und schaffen öffentliche Debattenräume.
Wir setzen uns für eine starke Kulturszene und Kreativwirtschaft ein. Wir stehen für eine  diskriminierungsfreie Kultur- und Medienpolitik.
Wir wollen Kultur in ihrer Vielfalt als Staatsziel verankern und treten für Barrierefreiheit, Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit ein.

Soziale Lage in Kunst und Kultur
Wir machen den Gender-Pay-Gap transparent, wollen ihn schließen, streben paritätisch und divers besetzte Jurys und Gremien sowie Amtszeitbegrenzungen an.
Wir wollen statistische Berichterstattung zur sozialen Lage von Künstlerinnen und Künstlern. Zur besseren sozialen Sicherung freischaffender Künstlerinnen, Künstler und Kreativer werden wir Mindesthonorierungen in Förderrichtlinien des Bundes aufnehmen. Wir werden soloselbstständige und hybrid beschäftigte Kreative besser absichern und Bürokratie abbauen, die KSK finanziell stabilisieren und die erhöhte Zuverdienstgrenze aus selbstständiger nicht-künstlerischer Tätigkeit erhalten.

Kulturförderung
Die Neustart-Programme führen wir zunächst fort, um den Übergang nach der Pandemie abzusichern.  Fortan bauen wir die Kulturstiftung des Bundes und den Bundeskulturfonds als Innovationstreiber aus und stärken Strukturen der Freien Szene und des Bündnisses der internationalen Produktionshäuser.
Mit einer Studie evaluieren wir den Beitrag der Bundeskulturförderung zur kulturellen Bildung. Wir richten eine zentrale Anlaufstelle „Green Culture“ ein, die Kompetenzen, Wissen, Datenerfassung, Beratung und Ressourcen für die ökologische Transformation anbietet. Wir schaffen ein Kompetenzzentrum für digitale Kultur, das Kulturakteurinnen und Akteure berät, vernetzt und qualifiziert. Wir fördern den Aufbau eines Datenraums Kultur, der sparten- und länderübergreifend Zugang zu Kultur ermöglicht. In einem „Plenum der Kultur“ werden wir mit Kommunen, Ländern, Kulturproduzentinnen und -produzenten, Verbänden und Zivilgesellschaft Kooperation verbessern und Potenziale von Standards beraten. Kommunen müssen finanziell dauerhaft Kunst und Kultur aus eigener Kraft fördern können. Ausgehend vom Trafo-Programm entwickeln wir exemplarische Strategien für Kultur im ländlichen Raum und in strukturschwachen Regionen und wollen die Kofinanzierung durch finanzschwache Kommunen auf zehn Prozent reduzieren. Wir bekräftigen das kulturelle Engagement des Bundes für die Hauptstadt.
Wir entbürokratisieren das Zuwendungsrecht, die Zusammenarbeit mit den Ländern und nutzen Potenziale digitaler Standardisierung.
Wir wollen öffentliche Bibliotheken als dritte Orte stärken und Sonntagsöffnungen ermöglichen.
Clubs und Livemusikstätten sind Kulturorte. Wir sichern kulturelle Nutzungen in hochverdichteten Räumen und unterstützen Investitionen in Schallschutz und Nachhaltigkeit. Wir wollen die Musikspielstättenförderung weiterentwickeln und freie Kulturorte wie Galerien unterstützen. Wir werden die Evaluierung des Kulturgutschutzgesetzes zu Ende führen und entsprechend dem Ergebnis die Regelungen überarbeiten.
Wir verankern eine Ansprechpartnerin bzw. einen Ansprechpartner für die Kultur- und Kreativwirtschaft bei der Bundesregierung, vereinfachen und verbessern Förderung auch für kreative, nicht-technische Innovationen. Wir wollen den Games-Standort stärken und die Förderung verstetigen. Wir schaffen Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus und machen E-Sport gemeinnützig. Wir prüfen mit den Ländern eine Förderung unabhängiger Verlage, um die kulturelle Vielfalt auf dem Buchmarkt zu sichern.
Mit der Filmförderungsnovelle wollen wir die Filmförderinstrumente des Bundes und die Rahmenbedingungen des Filmmarktes neu ordnen, vereinfachen und transparenter machen, in enger Abstimmung mit der Filmbranche und den Ländern. Wir prüfen die Einführung von Investitionsverpflichtungen und steuerlichen Anreizmodellen und schaffen gesetzliche Rahmenbedingungen, um die steuerliche Behandlung von Filmkoproduktionen rechtssicher zu gestalten. Kinos und Festivals fördern wir verlässlich und bewahren unser nationales Filmerbe.

Rechtliche Rahmenbedingungen
Beim Urheberrecht setzen wir uns für fairen Interessenausgleich ein und wollen die Vergütungssituation für kreative und journalistische Inhalte verbessern, auch in digitalen Märkten. Wir wollen Informations- und Meinungsfreiheit auch bei automatisierten Entscheidungsmechanismen sicherstellen. Die gerade in Kraft getretene Reform werden wir u. a. in Hinblick auf Praxistauglichkeit evaluieren. Wir wollen faire Rahmenbedingungen beim E-Lending in Bibliotheken. Analoge Spiele sollen im Sammelkatalog der Deutschen Nationalbibliothek benannt werden können.

Kulturelles Erbe
Wir wollen das bauliche Kulturerbe nachhaltig sichern, zugänglich machen und das Denkmalschutzsonderprogramm unter ökologischen Aspekten weiterentwickeln. Wir schaffen eine „Bundesstiftung industrielles Welterbe“ und prüfen europäische Mechanismen zur Förderung des Denkmalschutzes.
Wir setzen den Reformprozess der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gemeinsam mit den Ländern fort.  Ein erhöhter Finanzierungsbeitrag des Bundes hat die grundlegende Verbesserung der Governance zur Voraussetzung. Wir entwickeln das Humboldt Forum als Ort der demokratischen, weltoffenen Debatte.

Medien
Freie und unabhängige Medien sind in einer Demokratie unverzichtbar. Dazu gehören private und öffentlich-rechtliche Medien. Sie sichern Pluralität und Vielfalt und müssen barrierefrei sein. Gemeinsam mit den Ländern befördern wir eine breite gesellschaftliche Debatte über den Wert freier Medien für die Demokratie. In der Gesetzgebung wollen wir die Kohärenz zwischen Europa-, Bundes- und Landesrecht optimieren und in einer Bund-Länder-AG die Gesetze mit medienrechtlichen und politischen Bezügen überarbeiten. Wir wollen das UHF Band dauerhaft für Kultur und Rundfunk sichern.

Auf europäischer Ebene setzen wir uns dafür ein, dass Digital Service Act (DSA) und Digital Markets Act (DMA) sowie Media Freedom Act auch Pluralismus und Vielfalt abbilden sowie eine staatsferne Medienaufsicht und Regulierung gewährleisten. Wir werden die Machbarkeit einer technologieoffenen, barrierefreien und europaweiten Medienplattform prüfen.
Wir wollen die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen gewährleisten und prüfen, welche Fördermöglichkeiten dazu geeignet sind. Die Herausforderungen der digitalen Transformation der Medienlandschaft wollen wir durch faire Regulierung der Plattformen und Intermediäre begleiten, um kommunikative Chancengleichheit sicherzustellen.
Wir schaffen eine gesetzliche Grundlage für den Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden. Wir bekämpfen Hassrede und Desinformation. Wir werden europaweit Maßnahmen gegen Einschränkungen der Freiheitsrechte wie z. B. durch missbräuchliche Klagen (Strategic Lawsuits against Public Participation, SLAPP) unterstützen. Wir setzen uns für die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten ein. Den erfolgreichen Ausbau der Deutschen Welle und der Deutsche-Welle- Akademie setzen wir fort.

Erinnerungskultur
Wir begreifen Erinnerungskultur als Einsatz für die Demokratie und Weg in eine gemeinsame Zukunft. Wir schützen unsere Gedenkstätten. Die Gedenkstättenkonzeption des Bundes werden wir unter Einbezug des Deutschen Bundestages, der SED-Opferbeauftragten und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas sowie im Zusammenwirken mit den in diesen Bereichen Aktiven aktualisieren und die Gedenkstättenarbeit auskömmlich finanzieren. Lokale Initiativen wollen wir  fördern und Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen digital zugänglich machen. Wir treiben die Geschichtsvermittlung der und in die Einwanderungsgesellschaft voran. Das Förderprogramm „Jugend  erinnert“ wird verstetigt und modernisiert. Wir fördern Forschung in Gedenkstätten.
Gerade gegenüber unseren europäischen Nachbarn empfinden wir eine besondere Verantwortung; aber auch die aktuellen Debatten etwa in Griechenland oder der Ukraine zeigen, dass die gemeinsame Aufarbeitung nicht abgeschlossen ist. Wir unterstützen die Bundestagsbeschlüsse für ein Dokumentationszentrum „Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa“ und für einen Erinnerungs- und Begegnungsort im Gedenken an die Opfer der Besatzung Polens und die wechselvolle deutsch-polnische Geschichte. Wir wollen die Opfer der „Euthanasiemorde“ und Zwangssterilisation offiziell als Opfer des Nationalsozialismus anerkennen.
Wir werden uns weiterhin der Aufgabe stellen, NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter – entsprechend dem Washingtoner Abkommen – an die Eigentümerinnen und Eigentümer zurückzuführen. Wir verbessern die Restitution von NS-Raubkunst, indem wir einen Auskunftsanspruch normieren, die Verjährung des Herausgabeanspruchs ausschließen, einen zentralen Gerichtsstand anstreben und die „Beratende Kommission“ stärken.
Wir werden die Bundesstiftung Aufarbeitung stärken. Wir werden die festgeschriebenen Standorte der Außenstellen des Stasi-Unterlagen-Archivs qualitativ entwickeln. Die begleitende Forschungs- und Bildungsarbeit wird unterstützt. Wir unterstützen die Einrichtung des Archivzentrums SED-Diktatur und die Weiterentwicklung der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin zum Campus für Demokratie.
Wir wollen der Geschichte der Demokratie in Deutschland und ihren Orten mehr Sichtbarkeit verleihen. Die Förderung auch der Orte der Friedlichen Revolution ist uns ein besonderes Anliegen.

Koloniales Erbe
Um die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte voranzutreiben, unterstützen wir auch die Digitalisierung und Provenienzforschung des kolonial belasteten Sammlungsgutes und dessen Zugänglichmachung auf Plattformen. Im Dialog mit den Herkunftsgesellschaften streben wir Rückgaben und eine vertiefte ressortübergreifende internationale Kooperation an. Wir unterstützen insbesondere die Rückgabe von Objekten aus kolonialem Kontext. Außerdem entwickeln wir ein Konzept für einen Lern- und Erinnerungsort Kolonialismus.
Unsere Kulturpolitik leistet einen Beitrag für eine gemeinsame Zukunft zwischen Europa und Afrika. Wir schaffen ein Sonderprogramm „Globaler Süden“. Wir wollen koloniale Kontinuitäten überwinden, uns in Partnerschaft auf Augenhöhe begegnen und veranlassen unabhängige wissenschaftliche Studien zur Aufarbeitung des Kolonialismus.

Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
Die internationale Kulturpolitik ist die Dritte Säule unserer Außenpolitik, sie verbindet Gesellschaften, Kulturen und Menschen und ist unser Angebot für eine Werte- und Verantwortungsgemeinschaft in Europa und weltweit. Wir werden sie weiter stärken, flexibilisieren, über Ressortgrenzen koordinieren und auf europäischer Ebene eng abstimmen. Wir werden umfassende Nachhaltigkeits-, Klima-, Diversitäts- und Digitalstrategien verabschieden. Wir stärken die Science Diplomacy durch internationale Kooperationen und Austausch, streben eine Erweiterung der Zugangsmöglichkeiten an und verstehen sie als integralen Teil der Klimaaußenpolitik und des Green New Deals der EU. Wir stärken die Beziehungen zwischen den Städten und bauen Urban Diplomacy aus, verstärken die Programme in europäischen Grenzregionen sowie die internationale Sportpolitik und den Bereich Religion und Außenpolitik. Wir unterstützen bedrohte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Anwältinnen und Anwälte, Künstlerinnen und Künstler sowie Studierende und richten ein Programm für Journalistinnen und Journalisten sowie Verteidigerinnen und Verteidiger der Meinungsfreiheit ein.
Wir werden Mittler, insbesondere das Goethe Institut, den Deutschen Akademischer Austauschdienst, die Alexander von Humboldt-Stiftung, das Deutsche Archäologische Institut und das Institut für Auslandsbeziehungen stärken und in der kulturellen Bildung neue Präsenzformate auch in Deutschland ermöglichen – ebenso wie die Einrichtung gemeinsamer Kulturinstitute zwischen den europäischen Partnern in Drittländern und den Aufbau einer digitalen europäischen Kulturplattform.
Wir unterstützen Chemnitz in seinen Vorbereitungen zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025.
Im Rahmen der Museumsagentur unterstützen wir die Kooperation der Museen.
Die Aussöhnung mit Namibia bleibt für uns eine unverzichtbare Aufgabe, die aus unserer historischen und moralischen Verantwortung erwächst. Das Versöhnungsabkommen mit Namibia kann der Auftakt zu einem gemeinsamen Prozess der Aufarbeitung sein.
Wir werden die Zusammenarbeit in multilateralen Foren wie der UNESCO, den G7 und G20 stärken und eigene Maßnahmen wie den KulturGutRetter auch vor dem Hintergrund der Klimakrise ausbauen.
Wir wollen unser Auslandsschulnetz und das PASCH-Netzwerk durch einen Masterplan weiterentwickeln, einen Schulentwicklungsfonds auflegen, frühkindliche Bildung, Inklusion und die Schulleitungen stärken.
Wir wollen die Strategische Kommunikation im europäischen Verbund insbesondere im Bereich der Analyse und des SocialMediaMonitoring modernisieren und in Kooperation mit der Deutschen Welle an neuen Zielgruppen ausrichten und regionale Schwerpunkte setzen.”
(Quelle: S.121 – 127; Koalitionsvertrag 2021 – 2025)